Kleider machen keine Yogaleute

Veröffentlicht am 8. September 2025 um 17:05

oder: Innenschau statt Modenschau bitte!

Die Leggings von einem bestimmten, am besten einem nachhaltigen, aber eben auch einem luxuriös teuren Label! Und das gesamte Outfit bitte am besten so fleckenfrei wie das eigene Gesicht faltenfrei! Und dann am besten noch eine instagrammable Pose einnehmen, die auf Fotos mehr hermacht als dass es im eigenen Körper was Gutes macht. Zack, fertig ist der perfekte Yogamensch!

Weil Yoga ein milliardenschweres Geschäft ist, ist auch ein ziemlicher Anspruch auf und an den vermeintlich richtigen Yogalook entstanden. Tada: Es gibt Yogamode, seit Yoga in Mode gekommen ist. Und natürlich, ich bin ehrlich, nehme ich mich da nicht aus. In meinem Schrank gibt es Dutzende Yogaleggings in locker mehr als den sieben Chakra-Farben, die uns ja ebenso als die ultimative Yoga-Weisheit verkauft werden wie die Notwendigkeit bestimmter Labels fürs Yoga.

Und gleichzeitig überlege ich, künftig viel öfter in meiner Lieblingsfarbe Grau zu meinen eigenen Yogastunden zu erscheinen. Meine Nichte erklärt mir zwar immer wieder, dass Grau keine Farbe ist, aber vielleicht ist es genau das: Es guckt sich leicht weg, es ist ein bisschen wie Nichts. Und vielleicht sollte ich als Yogalehrerin mehr noch mit dem Raum verschwimmen, den ich halte. Yogastunden sind ja keine Bühne!

Was ich sagen will: Für Yoga ist kein spezielles Outfit nötig! Klar, es braucht eine bequeme Klamotte mit ausreichend Bewegungsfreiheit, wenn es ums körperliche Yoga geht. Also vielleicht wäre es nackt am bequemsten, aber ich würde auch nicht nackt mit einem Dutzend anderer Menschen praktizieren wollen... Das heißt in der Folge aber nicht, dass es Spezial-Kleidung braucht, sondern eigentlich, dass man genauso gut im Schlafanzug praktizieren kann (was ich öfter tue). Und es darf sogar so einer sein, auf dem gerade ein Zahnpastafleck verkrustet. Einfach alles ohne Schnickschnack.

Kleidung kann inspirieren, motivieren oder einfach nur schön aussehen.

Aber Kleider machen keine Yogaleute!

Eine Klamotte definiert doch nicht, wie tief man atmet, wie sehr man sich spürt oder wie achtsam man vor allem auch jenseits der Yogamatte mit sich selbst und anderen ist. Gerade, wenn man sich von äußeren Normen löst, ist das einfach so auf die Matte gehen schon Selbstfürsorge pur. Was man trägt, sollte einen nicht aufhalten und schon gar nicht vom Yoga beziehungsweise dem Besuch von Yogastunden abhalten. Viel wichtiger als das Etikett auf dem Shirt - genauso wie übrigens die Größenangabe darin, aber das ist noch ein anderes Thema -, ist die Haltung, mit der man seine eigene Praxis (aus)lebt. Yoga ist kein Wettbewerb, und vor allem ist es keine Show oder Performance.

Gerade in der social media-Welt, in der alles vom Morgenmatcha bis zur Abendroutine mit zwölf Schritten Skincare kuratiert wird (siehe gerne auch mein Beitrag Ästhetik vs. Authentizität), wirkt ja Schlafanzug-Yoga oder einfach die im Preis runtergesetzte Leggings vom Kaffeeröster, die nix groß hermacht und einfach nur saumäßig bequem ist, fast schon wie eine kleine Rebellion. Denn es ist authentisch. Und Authentizität ist in der Yogawelt leider stellenweise rar geworden...

Aber ja, natürlich... Kleidung kann Spaß machen, und man darf sich gerne einen Spaß aus Yogaklamotten machen. Nur bitte gerne mit einem Bewusstsein: Yoga ist keine Modenschau, sondern es ist deine Innenschau und damit hilft das schönste Outfit dann ja auch nix, wenn man da drinnen in der Seele mal wieder nur auf ungelösten Schlamm stößt... Auf der Matte darf man sich erlauben, sich zu zeigen, wie man ist und nicht wie man glaubt, sein zu müssen. Vielleicht fängt man bei der Sache mit den Sachen an...

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