
oder: Aussehen über Praxis?
Ein Geständnis vorweg: Als ich 2018 (oder so) nach Facebook auch mit Instagram anfing (ich war schon immer late to the party, vielleicht backe ich gerade Bananenbrot oder ich mache Pasta mit Feta ausm Ofen...), dachte ich auch erst an so ein richtig schön durchgestyltes Profil, wie es damals scheinbar alle hatten.
Eines, wo jedes Bild zeigt, wie hübsch, sauber, ordentlich, perfekt alles stets und ständig bei mir aussieht, wenn so wie bei den anderen die Farbpalette in Pastell- oder Beigetönen harmoniert und ich auf jedem Bild zeige, was ich kann, bis ich mich eines Tages in den Spagat gleiten lasse.
Tja, ja. Also: Ordentlich ist es auf meinen Fotos, denn ich bin einfach ein ordentlicher Mensch.
Vor allem aber: Ich bin ein Mensch. Und nebenbei bin ich Yogalehrerin. Echt.
loose in social media
Manchmal verliere ich mich in social media, scrolle und scrolle, bis ich Daumengymnastik brauche. Ich sehe, es gibt die perfekten Profile nach wie vor und die Menschen dahinter werden anscheinend nie müde, wahrscheinlich weil der Matcha Latte immer so gut kickt. Und an schlechten Tagen denke auch ich, ich loose ab, weil ich dagegen abstinke (kann auch am Deo liegen). Diese makellosen Yogalehrerinnen, die scheinbar mehr Wert auf Ästhetik als auf Authentizität legen. Die perfekten Posen in perfekten Outfits, alles sitzt fürs durchgestylte Instagram-Profil.
Und ich frage mich: Sind die echt so? Ist das echt? Machen die eigentlich nie im Schlafanzug Yoga und sehen im herabschauenden Hund den Zahnpastafleck auf der Hose und in der Vorbeuge Fußnägel, denen Pediküre fremd ist? Was ist mit dem echten Leben? Was ist mit denen im echten Leben? Wo bleibt das Echte, und wo passt da das echte Yoga und Leben rein?
Inszenierung und Interieur
Denn es bleibt ja nicht bei der perfekten Asana (die es m.E. eh nicht gibt). Dieselbe inszenierte Perfektion zieht sich oft durch die dargestellten Lebensbereiche: das aufgeräumte Interieur im angesagten Minimalismus, der drapierte Matcha Latte in einer perfekten Keramikschale, die Farbpalette der Wohnung in Harmonie mit der Kleidung (hey, Beige war doch früher mal typisch Seniorinnen...) – alles fein abgestimmt auf die Wirkung eines kuratierten Instagram-Feeds.
Na und?!
Jetzt kann man gerne sagen, ich soll mich mal chillen. Doch ich sehe da durchaus ein Problem...
Auch wenn es „nur“ social media ist: Wenn Ästhetik über Authentizität gestellt und gestylt wird, kann etwas Entscheidendes passieren: Yoga – und das Leben an sich – verliert seine Tiefe. Es wird zur äußeren Form, zur perfekten Haltung, zur makellosen Präsentation. Schein geht über Sein – zumindest ist die Gefahr gegeben.
Wenn Yoga vor allem als und über ästhetische Disziplin vermittelt wird, werden Maßstäbe gesetzt, die verunsichern und ausschließen können. Wer nicht flexibel genug ist, wer nicht schlank genug ist, wer nicht jung genug ist, wer die "falschen" Leggings hat, wer selbst oder wessen Leben nicht "yogisch genug" im Sinne dieser Ästhetik erscheint, der fühlt sich möglicherweise fehl am Platz, sodass er überhaupt keinen Mattenplatz mehr einnehmen mag. Und wer in einer unaufgeräumten Wohnung sitzt, mit einem stinknormalen Filterkaffee statt Matcha, zweifelt vielleicht daran, ob das eigene Leben "richtig" ist.
Das echte Leben ist nicht immer stilvoll. Es ist roh, chaotisch und voller Wendungen. Es besteht aus Momenten, die in kein Farbschema passen, aus Gedanken, die nicht immer schön sind, aus Erfahrungen, die nicht gefiltert werden können (und sollten). Genau diese Unperfektion macht es doch aus! Das echte Leben, Yoga und das Leben und Yoga leben ist nicht immer stilvoll und nicht instagrammable.
Yoga ist Lebenspraxis
Yoga ist keine Show. Es ist keine Performance für Likes und keine Bühne für Selbstinszenierung. Yoga ist eine Praxis. Es ist eine Praxis, die uns mit uns selbst verbindet – über unseren Atem raus aus dem Kopf und rein in den Körper, zu unserem Innersten. Es geht nicht darum, wie es aussieht, sondern darum, wie es sich anfühlt. Und Yoga ist eine Lebenspraxis, eine Praxis fürs Leben – Yoga ist mehr als Asanas.
Authentizität bedeutet, Yoga und das Leben als das zu leben, was sie sind: eine Praxis der Verbindung, nicht der Perfektion. Eine Praxis des Spürens, nicht des Zeigens. Eine Praxis, die nicht für die Kamera gemacht ist, sondern für das eigene Wohlbefinden. Yoga ist genau wie das Leben eben nicht makellos. Es ist das Zulassen von Imperfektion, das Akzeptieren von Grenzen, das Erleben von Momenten, die nicht ins (perfekte) Bild passen.
Lasst uns weniger inszenieren und mehr (er)leben. Weniger posieren und mehr spüren. Weniger Perfektion und mehr Authentizität leben. Denn das ist es doch, was das Leben – und das Yoga – ausmachen sollte.
Kommentar hinzufügen
Kommentare