Körperyoga ist okay

Veröffentlicht am 18. August 2025 um 09:12

"Ist morgen Training?", fragte eine meiner Teilnehmerinnen, die schon lange zu meinen Yogastunden kommt. Und ich fragte mich, ob ich da was Falsches oder etwas falsch vermittelt habe. Yoga ist doch kein Training, es ist doch nicht so etwas wie Sport, den man trainiert... Das, so dachte ich in dem Moment, sollte doch wohl bitte klar geworden sein in meinen Yogastunden?!

Na gut. Yoga ist für Körper, Geist und Seele, nach meinem Dafürhalten aber vor allem für Geist und Seele. Es ist Philosophie und Lebensphilosophie, Lifestyle könnte man meinetwegen noch sagen. Aber doch nicht einfach profan ein, ja irgendein Training. Ich war, zugegeben, ein bisschen sauer - auf sie, auf mich und auf die Welt, die Yoga für irgendeinen Sport hält.

Aber sollte man in so einem Moment wirklich sauer sein? Noch dazu als jemand, der ja auch Geld damit verdient, Leute durch Körperübungen zu führen? Ist es nicht auch in Ordnung, Yoga einfach nur als eine Bewegungsform und nicht als eine Bewegung zu sehen?

Ich habe durchgeatmet. "Ja", antwortete ich. Ich gab Yoga, sie kam zu ihrem Training. Ich habe sie nicht belehrt, sondern es dabei belassen.

(k)eine Doppelmoral

Was wäre das auch für eine krasse Doppelmoral? Ich habe doch selbst so angefangen!

Damals, vor fast 20 Jahren. Yoga war erstmal wirklich nur körperlich für mich. Ich hatte das, was ich etwas theatralisch Schulsport-Trauma nenne, was so viel heißt, wie, dass mir der Schulsport mit seinen Prinzipien aus Leistungsdruck und starren Lehrplänen die Lust an Bewegung ausgetrieben hatte. Ich war durch mit Sport, mit jedem Sport.

Ich studierte, ich saß viel. Ich ahnte mit Anfang 20, dass mir das mein Körper so nicht ewig verzeihen würde mit der Vielsitzerei und der Nicht-Bewegung und suchte nach einer Möglichkeit, was mit meinem Körper zu machen, das sich vielleicht nicht direkt nach Training (wie in diesem Schulsportsinne) anfühlt, ihn aber doch trainiert und mir obendrein Spaß macht.

Ehrlich: Ich habe es sogar mit Pilates probiert. Bei der zweiten Station meiner Reise, dem Yoga, bin ich dann gleich hängen geblieben. Und ich habe es trainiert, hatte aber wohl keine Ahnung, was Yoga ist. Und ich habe vielleicht heute noch immer nur eine Ahnung, was Yoga ist, weil Yoga so vieles ist beziehungsweise sein kann. Yoga ist - für mich jedenfalls - ein so facettenreiches Facetten-Reich, dass ich ohne Umschweife anerkenne, wie viel Wahres und Wahrhaftiges in "Ich weiß, dass ich nichts weiß" steckt.

Yoga wird gerne, teils auch von mir, als ein uraltes System bezeichnet. Das hat/hatte aber erst mal nichts mit Körper beziehungsweise Körperlichkeit zu tun. Da war/ist viel Spirituelles und Philosophie, dann Meditation und so weiter.  Körperyoga ist im Yoga-Kosmos eine vergleichsweise junge Sache. Aber heute denkt man oft, dass Yoga vor allem diese Körperübungen ist und diese eben schon uralt seien. 

Wie auch immer, heute beginnt die Yogareise der meisten oft ganz schlicht so wie meine eigene begann: mit dem Körper. Mit dem Dehnen, dem Halten und nicht selten mit dem Zittern in Haltungen, die mitunter von außen betrachtet widernatürlich scheinen und einem im Inneren wundersamerweise doch Halt geben.

Vielleicht geht man zum Yoga, weil der Rücken zwickt. Vielleicht will man beweglicher werden. Oder man kann ist wie ich schon so alt, dass man sich noch erinnern kann, dass Madonna einst ihre beeindruckenden Oberarme in irgendeinem Interview mit Yoga erklärt haben soll. Oder man hat gehört, dass Yoga gut gegen Stress ist. Das reicht. Und das ist vielleicht mehr als genug sogar.

Körper als Start

Ja. Yoga darf ruhig erstmal „nur“ körperlich sein. Der Körper kann als Türöffner dienen. Er ist ein wunderbarer Einstieg in etwas, das viel tiefer gehen kann, wenn man mag und bereit ist. "Yoga ist kein Workout, sondern ein Work-in", betont man in der Bubble gerne, um zu zeigen, wie viel wichtiger das Innere und die innere Arbeit ist. Stimmt schon. Aber: Yoga als Workout kann trotzdem wunderbar sein.

Was als körperliche Praxis beginnt, kann sich ja noch ganz organisch entfalten - bis hin zur Lebensphilosophie, die einen durch den Alltag trägt. Vielleicht (hoffentlich!) merkt man irgendwann, dass man ruhiger wird wegen Yoga. Dass man anders und bewusster atmet. Vielleicht beginnt man sich selbst (und anderen) mit mehr Gelassenheit, Mitgefühl und Achtsamkeit zu begegnen. Vielleicht stellt man sich Fragen, die man früher gar nicht hatte oder die man schlicht übergangen hat. Vielleicht übt man mehr als nur ein paar Körperübungen, oder man übt,  selbst wenn man Körperübungen übt, mit mehr als nur dem Körper. Vielleicht kommt man aber auch einfach nur mit den Händen lockerer zu den Schnürsenkeln, wenn man sich beim Schuhe binden nach vorne beugt.

Yoga ist kein Dogma. Es darf ein Weg sein. Und jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt, manchmal dem zum Training zu gehen. Vielleicht wird aus dem bloßen Stretching irgendwann ein echt weites Herz und ausgedehntes Reflektieren.

Yoga, ein Trainingsweg?

Man musst nicht meditieren, um „richtig“ Yoga zu machen. Man muss keine philosophischen Schriften wälzen. Man muss keine Sanskrit-Begriffe kennen oder sich mit Chakren beschäftigen. Man darf. Man kann Yoga als eine körperliche Praxis betreiben, weil es so wunderbar vom Kopf in den Körper und damit zur Ruhe bringt. Es darf auch darum gehen, sich auf der Yogamatte körperlich auszutoben, den Körper durchzubewegen. Es darf darum gehen, den Bizeps (Madonna!), die Bauchmuckis oder was auch immer zu stärken, indem Trainingsreize gesetzt werden. Sehr wahrscheinlich wird eben eh mehr als nur der Rücken gestärkt, die Resilienz zum Beispiel.

Kurzum: Wer Yoga gerade mal „nur“ als körperliche Praxis sieht: okayyyy, das ist okay. Solange man offen bleibt, irgendwann vielleicht mehr zu haben – mehr Tiefe vor allem; und zwar nicht in der Vorbeuge oder einem Spagat, sondern in sich selbst. 

Yoga ist kein Ziel. Es ist ein Weg. Man geht ihn im eigenen Tempo. Auch wenn man „nur“ zum Training geht...

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