Burnout zählt nicht

Veröffentlicht am 26. Juli 2025 um 15:06

denn: Burnout kennt keine Jahresscheiben

Ich hätte laut werden müssen, statt still zu bleiben.

Ich hätte so knallig auftreten müssen wie jetzt meine Überschrift "Burnout zählt nicht". 

Da saß jemand bei einer Party vor mir und erzählte im absoluten Brustton der Überzeugung, dass es kein Burnout ist, wenn es nicht mindestens ein Jahr dauert.

Bäm! Autsch. Das saß.

Ich bin trotzdem sitzen geblieben, habe weder aus meiner Expertise noch meiner persönlichen Erfahrung gucken lassen, was ich dazu denke.

Eine Aussage wie „Erst wenn man mindestens ein Jahr ausgebrannt bist, zählt es als Burnout.“ sitzt. Jetzt, Wochen später, beschäftigt sie mich noch immer.

Denn ich meine: So eine Aussage ist hochgradig problematisch.

Und es ist genauso problematisch, dass ich sie unwidersprochen so stehen ließ.

Eine/meine Sichtweise

Burnout zählt nicht. Es ist keine Frage von Jahreszahlen, Kalendermonaten und es gibt sicher einige diagnostische Kriterien für Burnout, aber keine derartigen Mindeststandards. Man würde zu einer Person, die sich das Bein gebrochen hat ja auch nicht sagen, dass das erst eine Summe X an Wochen oder Monaten bestehen muss, bevor es ernst genommen wird. Eine (beginnende) Erkrankung als „nicht gültig“ abzustempeln, nur weil jemand weniger lang leidet, kann zu einer gefährlichen Kultur des Hinauszögerns führen.

Anders als die meisten Beinbrüche entsteht Burnout nicht plötzlich, aber übrigens auch nicht zwangsläufig erst nach einer bestimmten Jahres-Zeit. Burnout ist das Resultat einer chronischen Überlastung: körperlich, geistig/mental und emotional. Er beginnt oft schleichend, die Symptome sind vielfältig. Reizbarkeit, Schlafstörungen, das Gefühl, nie mehr abschalten zu können, können ernstzunehmende Warnzeichen sein. Auf die Mannigfaltigkeit einzugehen, würde hier den Rahmen meiner kleinen persönlichen zu späten "Streitschrift" (hätte ich doch damals den Mund aufgemacht) sprengen - es empfiehlt sich, sich gründlich zu informieren!

Burnout nicht bagatellisieren

Etwas wie Burnout sollte man nicht bagatellisieren. Wenn jemand solche Aussagen oder sowas wie „Das ist doch noch kein Burnout, du bist einfach nur gestresst" hört, kann das eventuell dazu führen, dass Betroffene ihre eigene Belastung beziehungsweise ihr Gefühl der Überlastung nicht ernst oder nicht mehr ernst nehmen.

Burnout ist kein Wettbewerb in Leidensdauer. Burnout hat keine universelle, sondern eine seeeeeehr individuelle Verlaufsform. Es gibt Menschen, die innerhalb weniger Wochen durch massive Belastung (egal welcher Art) in eine Erschöpfungsdepression geraten und wieder andere „funktionieren“ monatelang oder sogar jahrelang weiter, bis eben irgendwann gar nichts mehr geht und Körper, Geist und Seele mit Symptomen reagieren, die wie ein Anschreien der Person sind. Als Yogalehrerin habe ich nicht nur beim Stichwort Burnout, sondern auch bei anderen Leiden leider schon oft genug gesehen, dass viele Menschen nicht präventiv Hilfe suchen, sondern erst, wenn nichts mehr geht. 

Yoga ist nicht alles

Aber Achtung! Yoga ist kein Allheilmittel und es bietet keine Wunderheilung!

Yoga ist und ersetzt keine Therapie!

Es kann aber eine wertvolle Ergänzung sein - ob es nun um Burnout oder Rückenschmerzen oder irgendwas sonst geht. Als Yogalehrerin sehe ich meine Aufgabe nicht darin, zu diagnostizieren, sondern einen sicheren Raum zu bieten, in dem Menschen lernen dürfen, sich wieder zu spüren und für sich einzustehen. Yoga kann die Selbstwahrnehmung stärken. Und Yoga kann resilienter machen gegenüber fragwürdigen Fremdbewertungen und fragwürdigen Aussagen (vielleicht bin ich deshalb ruhig sitzen geblieben). Wichtig ist: es kann!

Aber hier mal ein paar Aspekte, wie Yoga helfen kann:

  • -Atem: Wir haben im Yoga den Fokus auf der Atmung. Der Atem ist oft das erste, was sich verändert, wenn der Stress überhandnimmt. Dann wird er flach, schnell, kaum spürbar, geht uns flöten. Durch Pranayama, so heißen die Atemübungen im Yoga, kann man lernen, wieder bewusst zu atmen. Das kann auch gut auf das Nervensystem wirken. 
  • Körpergefühl: Burnout kann dazu führen, dass man sich fremd im eigenen Körper, ja wie entkoppelt davon fühlt und sich selbst nicht mehr auskennt im eigenen Körper. Asanas, also die Yogahaltungen, laden einen dazu ein, sich selbst wieder zu fühlen und in Verbindung mit dem eigenen Körper zu treten und zu sein. 
  • Meditation: In der Stille einer Meditation tauchen nicht nur Gedanken, sondern auch Gefühle auf. Meditation kann helfen, dies wertfrei wahrzunehmen.
  • Sein lassen: Yoga kann etwas sein, bei dem man nicht wie sonst in unserer Leistungsgesellschaft „performen“ muss, sondern einfach mal sein darf. Das kann heilsam sein beziehungsweise es kann eine Heilung unterstützen. 

Yoga ist eine Praxis für Körper, Geist und Seel. Körper, Geist und Seele signalisieren uns, wenn etwas aus dem Gleichgewicht gerät. In einer ziemlich lauten Welt kann man das aber überhören. Yoga kann dabei helfen, die Signale von Körper, Geist und Seele rechtzeitig zu hören, bevor sie laut werden müssen.

HINWEIS:

Dieser Blogbeitrag basiert auf meiner persönlichen Erfahrung als Betroffene und als Yogalehrerin. Er ersetzt keine medizinische Diagnose oder therapeutische Behandlung.

Burnout ist ein komplexes Krankheitsbild und sollte individuell und fachlich eingeordnet werden. Wenn du das Gefühl hast, dauerhaft erschöpft zu sein, dich verändert wahrnimmst oder nicht mehr zur Ruhe kommst, zögere bitte nicht, dir professionelle Hilfe zu suchen! Du verdienst Hilfe, und zwar jetzt, nicht erst nach einer bestimmten Frist. 

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